A U F R U F

des Komitees zur Unterstützung des Aktionsausschusses 100% S-Bahn

Von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt hat der Berliner SPD/CDU-Senat im Juni dieses Jahres beschlossen, das Netz der S-Bahn Berlin in drei Teile zu zerschlagen und einzeln auszuschreiben. Das Vergabeverfahren für den S-Bahn-Ring sowie die südöstlichen Teilstrecken soll bereits in diesem Jahr beginnen, die anderen beiden Abschnitte sollen 2014 ausgeschrieben werden. Zur Begründung dieses Schritts wird auf die seit drei Jahren anhaltenden Probleme und Verspätungen im Zugbetrieb verwiesen.

Die Privatisierung öffentlichen Eigentums, die hier als Lösung angeboten wird, ist in Wahrheit die Ursache des Problems: Die S-Bahn Berlin GmbH gehört zu 100% der DB Regio AG, die wiederum eine Tochter der in Bundeseigentum befindlichen Deutsche Bahn AG ist. Auf Betreiben der jeweiligen Bundesregierung wird die DB AG seit dem Antritt des früheren Vorstandsvorsitzenden Hartmut Mehdorn Ende der 1990er Jahre konsequent auf ihren Börsengang vorbereitet. Um die Bahn kapitalmarktfähig zu machen, musste deren Rendite steigen. Die S-Bahnen (Berlin und Hamburg) hatten dies mit einem jährlichen Einsparpotential von 40 Mio. € zu unterstützen. Zu diesem Zweck legten die Unternehmensführungen ab 2002 diverse “Rationalisierungsprogramme” auf. Bei der S-Bahn Berlin GmbH wurden u.a. 132 funktionsfähige S-Bahn-Wagen und Triebwagen verschrottet und damit die Reservekapazitäten vollständig beseitigt, Wartungsintervalle verlängert oder auf Wartungen gänzlich verzichtet, vier Werkstätten geschlossen und das Wartungs- und Instandhaltungspersonal auf rund ein Drittel reduziert. Die Gesamtbelegschaft schmolz von 2005 bis 2009 auf 75% des Ausgangsniveaus (2.769 Beschäftigte) zusammen. Parallel dazu führte die S-Bahn Berlin GmbH von 2002 bis 2008 120 Mio. € Gewinn an den DB-Konzern ab. Hinzu kommen diverse weitere Zahlungen; allein 2008 überwies die S-Bahn insgesamt 416 Mio. € und damit deutlich mehr als die Hälfte ihres Jahresumsatzes an den Mutterkonzern.

Derart kaputtgespart, war der offene Ausbruch der Krise der S-Bahn nur eine Frage der Zeit: Konnte das Management die ca. 3000 ausgefallenen Zugfahrten im Januar 2009 noch mit einem “unvorhergesehenen Kälteeinbruch” erklären, war dies nicht mehr möglich, als am 1. Mai 2009 in Kaulsdorf ein S-Bahn-Zug wegen eines Radreifenbruchs entgleiste. Das Eisenbahn-Bundesamt musste sich einschalten und ordnete an, dass alle nicht fristgerecht gewarteten Züge außer Betrieb zu nehmen sind. In der Folge stellte sich heraus, dass dies auf 75% (!) aller Züge zutraf; von 546 sog. “Viertelzügen” konnten nur 165 weiter fahren. Die Folge waren massive Einschränkungen, die allen S-Bahn-Nutzern noch ungut in Erinnerung sind. Bis heute ist es nicht gelungen, zum Vorkrisenbetrieb zurück zu kehren. Konsequent fortgesetzt wird dagegen die beschäftigten- und fahrgastfeindliche Sparorgie; so sollen ab Ende 2012 nur noch 21 der 166 Bahnhöfe mit Personal besetzt werden. Außerdem wurden seit 2011 zweimal die Fahrpreise erhöht.

Gegen die Ausschreibung und Zerschlagung der Berliner S-Bahn und die weiteren Verschlechterungen, die nach den Erfahrungen mit der ab 2002 praktizierten Einsparpolitik für Belegschaft wie für Bahnkunden als deren Folge zu erwartenden sind haben S-Bahnmitarbeiter den “Aktionsausschuss 100% S-Bahn” gebildet. Der Aktionsausschuss kämpft

  • “Für 100% S-Bahn —
  • Gegen die Ausschreibung und Zerschlagung der Berliner S-Bahn —
  • Für den Erhalt der Arbeitsplätze der S-Bahn-Mitarbeiter!”

Es ist ihm inzwischen gelungen, die Unterschriften von annähernd 1000 Mitarbeitern zu sammeln. Diese 1000 S-Bahner/innen fordern ihren Betriebsrat zur Einberufung einer Betriebsversammlung während der Arbeitszeit auf, die ihnen jedoch bisher von ihrem eigenen Betriebsrat verwehrt wird. Mit der Unterschriftensammlung des Aktionsausschusses haben die S-Bahner/innen in einem ersten Schritt ihren Forderungen Nachdruck verschafft und ein Prozess in Gang gesetzt, der ein wirksames Handeln der Belegschaft mit dem Ziel der Verhinderung der Ausschreibung und Zerschlagung der S-Bahn ermöglicht. Betriebsrat und Gewerkschaft unterstützen dieses Anliegen leider noch nicht ausreichend. Daher haben wir, Berliner und Brandenburger, die sich mit der S-Bahn verbunden fühlen, die Politik der Privatisierung öffentlichen Eigentums ablehnen und das gegen diese Politik gerichtete Handeln betroffener Belegschaften ermutigen wollen das

Komitee zur Unterstützung des Aktionsausschusses 100% S-Bahn gegründet

Wir rufen jeden, der sich mit dem Anliegen der S-Bahner/innen und damit des Aktionsausschusses verbunden fühlt auf, dies durch seine Unterschrift als Unterstützer unter diesen Aufruf zu dokumentieren.

Außerdem suchen wir Mitstreiter, die bereit sind, sich im Komitee als Aktiver zu engagieren. Willkommen ist jeder, der die Forderungen des Aktionsausschusses unterstützt und bereit ist, sich für deren Verwirklichung einzusetzen. Ausgenommen sind nur Menschen mit faschistischem, rassistischem oder ausländerfeindlichem Gedankengut.

Unterstützer und Aktive erreichen das Komitee per Mail unter thomas.winkler1@ewetel.net.

Berlin und Brandenburg, im September 2012

Das Komitee zur Unterstützung des Aktionsausschusses 100% S-Bahn

Erstunterzeichner:

Bonn, Hagen, Erzieher, Bernau

Dr. Brauns, Nick, Historiker und Journalist, Berlin

Breithaupt, Bernd, Arbeiter, Königs Wusterhausen

Drängner, Sven, Bäcker, Eichwalde

Elitog, Yusuf, Ingenieur, Berlin

Elken, Dieter, Rechtsanwalt, Strausberg

Femi, Kaar, Berlin

Knapp, Michael, Student, Berlin

Kreye, Pedro, Blogger, Berlin

Lautermann, Manuel, Mechatroniker, Berlin

Lippold, Peter, Rechtsanwalt, Berlin

Lorenz, Marina, Heilerin, Königs Wusterhausen

Rassmann, Jeanette, Chemikerin, Königs Wusterhausen

Dr. Rassmann, Ulf, Angestellter, Königs Wusterhausen

Schulz, Karin, Ingenieur, Königs Wusterhausen

Schulz, Ralf, Schlosser, Königs Wusterhausen

Treppenhauer, Lutz, Landwirt, Königs Wusterhausen

Urban, Bärbel, Rentnerin, Strausberg

Wenzel, Gerhard, Rentner, Berlin

Winkler, Thomas, Rechtsanwalt, Königs Wusterhausen