Suphi Toprak

NPD — Islam

Der Feind meines Feindes ist mein Freund ?

Der Nahe und Mittlere Osten wird von imperialistischen Mächten dominiert. Die linken Kräfte in dieser Region sind relativ schwach und von außen kaum wahrnehmbar. Es ist fraglich, ob sie dort überhaupt eine wichtige Rolle spielen. Der Krieg im Irak wird zwischen Islamisten, Nationalisten und Besatzern geführt.

Der islamisch motivierte Krieg läßt sich an seinen Taktiken sehr klar erkennen: Ziellose Angriffe auf die Besatzer, die eigene Bevölkerung und andere Gläubige, in der Hoffnung, dass es nur die trifft und dass nur die von Bombenanschlägen getötet oder verletzt werden, die es verdienen - weil Allahs Wille es schon so vorherbestimmt hätte.

Die deutschen Faschisten träumen schon jetzt davon, eines Tages die USA als Führungsmacht abzulösen. Der Weg dahin ist unter Faschisten strittig. Die einen hoffen darauf, dass die USA im Irak und Afghanistan Niederlagen erleiden, so dass ihre Machtposition in Gefahr kommt. Diese Kräfte sehen die die islamischen und nationalen Kräfte in dieser Region als potentielle Verbündeten der deutschen Faschisten. Iranische und irakische Fahnen sind von deutschen Faschisten schon auf Demonstrationen und Kundgebungen getragen worden. Auch das Palästinensertuch ist von den deutschen Faschisten bereits missbraucht worden. Der faschistische Anti-Amerikanismus geht dabei so weit, dass von Nazi-Kameradschaften Che Guevara-T-Shirts getragen wurden. Diese Strömung der Faschisten glaubt, dass erst mal der Amerikanismus zurückgeschlagen werden sollte, weil es so viel leichter sein soll, Deutschland zu säubern.

Für andere Faschisten ist die Hürde viel zu hoch, die sie für diese Orientierung nehmen müssen: Sie müssten andere Kulturen akzeptieren und Nationen unterstützen, die sie als Feinde sehen. Sie meinen, dass Deutschland erst von Ausländern befreit werden sollte, da nur eine "reine" Bevölkerung ohne Ausländer und nationale Minderheiten in der Lage wäre, stark zu werden. Ein so erneuertes Deutschland würde die Stärke entwickeln, sich gegen die USA zu behaupten.

In der Praxis gibt es zwischen diesen Strömungen keinen klaren Trennungsstrich. Sie lassen sich aber als intellektuelle Pole ganz gut voneinander unterscheiden. Verweilen wir bei der ersten Strömung. Sie will die antiamerikanischen Tendenzen in der genannten Region unterstützen. Aber die dafür in Frage kommenden Kräfte leben nicht nur dort. Sie leben auch in Deutschland. Wie geht man mit diesen Menschen um? Diese Faschisten versuchen, eine Art temporären Duldungsstatus herzustellen. Auch sie wollen natürlich auf keinen Fall die Vermischung der Kulturen und schon gar nicht die der Menschen. Der Islam kommt ihnen dabei sehr entgegen. Die konservativen Kräfte im Islam wollen ebenfalls jede Vermischung verhindern.

Das ist der Ausgangspunkt einer grundsätzlich möglichen menschenfeindlichen Hochzeit zwischen dem reaktionären politischen Islam und dem Faschismus nach dem Motto: Das Kopftuch trenne Deutsche und Mohammedaner.

Die reaktionären Kräfte im Islam wollen keine gesellschaftliche Integration der Mohammedaner. Der politische Islam bietet sich dem Faschismus als Partner an, weil er nicht mit einer Welt klar kommt, in der sein Einfluß schwindet, in der die ökonomischen Verhältnisse die Integration von Frauen ins Wirtschaftsleben fördern und den nomadisch und dörflichen-patriarchalischen Verhältnissen den Boden entziehen.

Kapitalistische Frauenarbeit macht Frauen selbständig, fördert ihre familiäre und gesellschaftliche Autonomie. Die Frauenarbeit gibt Frauen die Macht zu bestimmen, wie sie leben wollen. So gerät das Familienbild des radikalen Islams in Gefahr. Das erklärt, weshalb der reaktionärste Flügel des islamischen Klerus in Deutschland aus Angst vor der kapitalistischen Moderne die Rückkehr in eine islamische "Heimat" propagiert - und dabei doch auf verlorenem Posten steht, weil sich dort die vorkapitalistischen und halbkapitalistischen Strukturen längst auflösen und der halbkoloniale Kapitalismus für die breite Masse der Bevölkerung keine ausreichende ökonomische Integrationskraft besitzt. Diesen erzreaktionären Strömungen im Islam wird hier wie dort durch die kapitalistische Entwicklung einerseits der Boden entzogen, aber andererseits durch die Unfähigkeit des imperialistischen Systems, eine harmonische Entwicklung aller seiner Teile zu ermöglichen, immer wieder frisches Blut in Form rückständiger, verelendeter und oder unterdrückter Kräfte zugeführt, die ohne Hoffnung auf Besserung in prekären Verhältnissen leben. Dennoch hat der politische Islam nirgendwo eine Lösung der Probleme seiner Anhänger zu bieten. Dort, wo er im Nahen und Mittleren Osten an die Macht gelangte, hat er ganz normale kapitalistische Regierungen gebildet: Im Iran ein diktatorisches, in der Türkei ein autoritäres parlamentarisch-demokratisches. In Westeuropa bietet er überhaupt keine Perspektive außer Fluchtphantasien.

Was die NPD erreichen möchte, bietet diese Sorte Islam auf der theoretischen Ebene also von sich aus an.

Übrigens steht auch die Multi-Kulti-Ideologie der Grünen dieser speziellen Apartheid-Ideologie nicht sehr fern. Sie ist unterschwellig von rassistischen Ideen geprägt. Sie zielt darauf ab, in Deutschland Parallelwelten zu verfestigen, in denen Andersartige ihre besondere Art ausleben können - ohne Rücksicht auf universelle Werte der Humanität und Solidarität. Aber diese dem faschistischen Weltbild so nahe Ideologie ist .für deutsche Faschisten dennoch ungeniessbar, weil sie die Vermischung der Völker nicht ganz ausschließt.

Ein weiterer gemeinsamer Nenner von Islam und deutschen Faschisten ist der Pseudo-Antikapitalismus. Das Credo vom guten, "schaffenden Kapitalismus” und die Ablehnung des "raffenden Kapitalismus" bei den Faschisten überschneidet sich mit dem Zinsverbot des Islam. Aber während der Faschismus letztlich eine politische Bewegung in imperialistischen Ländern repräsentiert, die die kapitalistische Krise durch die Mobilisierung der von der Krise Betroffenen gegen die Arbeiterbewegung und gegen den demokratisch verfaßten Staat lösen will, um den nationalen Kapitalismus über einen aggressiven militaristischen und neu-kolonialistischen Kurs zu konsolidieren, kann der politische Islam bestenfalls hoffen, zum Juniorpartner eines nicht-amerikanischen Imperialismus zu werden. Wer sich in der "Dritten Welt" vom Bündnis mit dem europäischen Faschismus irgendetwas erwartet, außer einer anderen Versklavung und Ausplünderung, wird Schiffbruch erleiden. Die in den imperialistischen Zentren verfemten islamischen Bewegungen im Mittleren und Nahen Osten freuen sich natürlich über jede mögliche Partnerschaft. Der NPD-Chef Udo Voigt hat auf einer Veranstaltung der mittlerweile verbotenen islamistischen Organisation Hisb ut-Tahir anlässlich des Irak-Krieges geredet.

Was hat ein islamischer Gläubiger von so einer Zusammenarbeit in Deutschland? Die Frage ist zunächst, warum die Islamisten in Deutschland sich überhaupt auf eine Partnerschaft mit den Faschisten einlassen sollen? Reicht der gemeinsame Nenner für eine Zusammenarbeit aus?

Es gibt verschiedene Tendenzen im Islam. Es gibt bisher keine islamische Strömung in Deutschland, die die Zusammenarbeit mit der NPD befürworten würde und gleichzeitig einen nennenswerten Anhang unter Muslimen hat. Einige kommen den Faschisten aber entgegen. Der Sprecher von Hisb ut-Tahir, Shaker Assem, sagte zum Beispiel, dass der Islam keine Bedrohung für Deutschland sei: “Je gläubiger die Muslime sind, desto stärker ist ihr Bestreben, in ihre Heimatländer zurückzukehren.” Letzteres ist eine Fehlinterpretation des Islam. Der Islam kennt keine Heimat. Als Religion zielt er nicht darauf, irgendwann und irgendwo ein islamisches Land aufzubauen. Er will die ganze Welt missionieren. Eine "Heimkehr" wird nicht propagiert. Anders ist es mit der Bewahrung der islamischen Werte. Sie werden immer wieder betont. Ob dies für die NPD nützlich ist, kann dahingestellt bleiben. Die ideologischen Gemeinsamkeiten reichen aber zumindest aus, um zeitweilige Waffenstillstände zu erklären.

In diesem Zusammenhang sind gerade die Moscheen ein heikles Thema. Wenn es um den Bau von Moscheen geht, versucht die NPD, die Bevölkerung gegen Islam-gläubige Menschen aufzubringen. Der Vorstandsvorsitzende der NPD in Hamburg, der Anwalt Rieger, behauptete, diese Agitation richte sich nicht gegen den Islam, sondern "ausschließlich gegen die zunehmende Überfremdung". Ob diese Ausflucht ausreichend ist, um bei den Mohammedanern in Deutschland Verständnis zu wecken, und die faschistischen Übergriffe auf gläubige Mohammedaner und rechte Hetzkampagnen gegen Moscheen in milderem Licht zu sehen, darf bezweifelt werden. Auf diesem Gebiet erfahren auch die reaktionärsten Anhänger des politischen Islam den rassistischen Charakter des Faschismus am eigenen Leib. Da helfen Rieger auch keine offen antisemitischen und gegenüber den Islam-gläubigen beschwichtigende Beteuerungen wie diese: "Was ist für unser Selbstbewusstsein schädlicher, die Pflichtlektüre des Tagebuchs der Anne Frank in den Schulen, oder eine muslimische Schülerin mit Kopftuch?"

Das Kopftuch scheint in den Köpfen der Faschisten überhaupt gut angekommen zu sein. Der stellvertretende Chefredakteur der "Deutschen Stimme", Andreas Molau, sagt im einem Interview mit Muslim-Markt: "Wenn ich es boshaft und auch selbstkritisch sagen darf, etwas »mehr Kopftuch«, als Frage einer züchtigen Kleiderordnung, stünde manch deutschem Mädel schon gut zu Gesicht." Die Frage, ob faschistische Banden Frauen mit derart "züchtigen Kleidern" künftig von ihren Attacken verschonen werden, wird.damit nicht einmal ansatzweise beantwortet. Möglicherweise geht es dann gerade einmal wieder um den Kampf gegen die "Überfremdung". Im Klartext:

Einem Bündnis zwischen politischem Islam und NPD steht der rassistisch-chauvinistische Charakter des Faschismus entgegen, der sich weder mit Symbolen der "Überfremdung" wie Moscheen abfinden kann, noch mit Zentren demonstrativer "Andersartigkeit" in der deutschen Gesellschaft. Teile der NPD mögen sich durch das Bündnis mit dem reaktionärsten Kern des politischen Islam die politische Vorbereitung späterer Abschiebungen oder gar Massaker erhoffen. Außerdem können sie sich so vordergründig gegen den Vorwurf schützen, zum Völkerhaß aufzustacheln. Dennoch bleibt der Rassismus ein Wesenszug jeder Strömung des Faschismus, der ein breites Bündnis der NPD mit einflussreichen islamischen Kräften ausschließt.