Regimewechsel um jeden Preis

Die USA und ihre Partner fordern, dass der Iran die Produktion von spaltbarem Material einstellt. Außenminister Rice sagt, Iran hat keine Wahl außer sich zu fügen. Die USA drohen sogar den Einsatz von Kernwaffen an. Obwohl sie dem Iran zweifellos schweren Schaden zufügen können, bleibt es höchst zweifelhaft, ob die Regierung in Teheran den drohenden Schaden durch einen zeitweiligen oder selbst dauerhaften Verzicht auf ihr Recht zur Anreicherung von ihrem Land abwehren kann. Für Zweifel gibt es sehr gute Gründe:

Anreicherungsstopp ist eine Falle

1. Die Amerikaner behaupten seit 2002, dass der Iran ein Waffenprogramm betreibt, ohne dass sie den geringsten Beweis dafür vorlegen. Ein Anfangsverdacht mochte gerechtfertigt sein, weil die Iraner ihre Vorbereitungen zur Anreicherung geheim gehalten hatten, obwohl sie laut Atomsperrvertrag verpflichtet waren, diese Aktivitäten anzuzeigen. Es hat sich aber trotz vierjähriger Kontrollen durch die IAEA kein Nachweis für eine unerlaubte Tätigkeit erbringen lassen. Gegen alle Beweisnot hält Washington die Verdächtigung gegen den Iran unbeirrt aufrecht.

2. Die USA konstruieren willkürlich einen Zusammenhang zwischen Anreichung von Uran und Waffenproduktion. Der Atomsperrvertrag legt Rechte fest und Pflichten. Während die Anreicherung ein Recht ist, ist der Nuklearwaffenverzicht auf eine Pflicht. Dass dieselbe Technologie für schwache und auch für hohe Anreicherung benutzt werden kann, war schon bei Vertragslegung bekannt. Es ist daher absolut widersinnig, im Tatbestand der Anreicherung eine Gefahr zu sehen, dass sie zwecks Waffenherstellung missbraucht wird. Der Vertrag sieht denn auch vor, dass das spaltbare Ausgangsmaterial überwacht wird und Kontrolleure die Möglichkeit erhalten, sich vom Grad der Anreicherung zu überzeugen. Aber diese Sicherungsmaßnahmen dürfen nach Artikel IV “keine Behinderung darstellen für die wirtschaftliche und technologische Entwicklung der Vertragsparteien oder für die internationale Zusammenarbeit auf dem Gebiet friedlicher nuklearer Tätigkeiten.” Die Forderung des Westens, dass der Iran auf sein Recht verzichtet, ist ein klarer Verstoß gegen den Zweck und Wortlaut des Vertrages.

3. Die Amerikaner zweifeln die Wirksamkeit der Kontrollen durch die IAEA an. Die logische Folgerung wäre, die Sicherungsmechanismen zu verbessern. Das Zusatzprotokoll der IAEA geht in diese Richtung. Die iranische Regierung ist bereit, es zu erfüllen und auch unangemeldete Inspektionen zuzulassen. Teheran hat den USA und den anderen westlichen Ländern sogar die Zusammenarbeit bei der Urananreicherung in der Atomanlage von Natans als Möglichkeit angeboten, um das Misstrauen gegenüber dem iranischen Nuklearprogramm zu entkräften. Das alles ist logisch und vertragskonform und spricht für eine kooperative Haltung. Es wäre im Sinne des Nichtverbreitungsregimes, das Vertrauen in die Wirksamkeit seiner Kontrollmechanismen zu stärken. Anatol Lieven von der New American Foundation hat sich in der Washington Post soeben entschieden für diesen Weg ausgesprochen. Es gibt keinen Hinweis, dass die US-Regierung sich darauf einlässt.

4. Wenn die amerikanischen Zweifel an der Überwachung unüberwindlich sind, dann — und das ist entscheidend - hilft auch das Anreicherungsverbot nicht weiter. Es würde die Kontrollen ja keineswegs überflüssig, sondern im Gegenteil zusätzliche Kontrollen notwendig machen. Nur Schwachsinnige können glauben, dass die Falken in Washington den Mullahs den etwaigen Anreicherungsverzicht auf Treu und Glauben abnehmen würden. Die iranische Regierung beteuert immer wieder, dass sie Kernkraft ausschließlich für zivile Zwecke nutzen will. Der Führer der iranischen Republik hat im vergangenen Jahr eine Fatwa erlassen, wonach die Produktion, Lagerung und Anwendung von Nuklearwaffen unter dem Islam verboten seien und dass der Iran diese Waffen niemals erwerben wird. Das Verbot deckt sich exakt mit den Einschränkungen aus dem Nichtverbreitungsvertrag, den der Iran unterzeichnet hat. Washington ignoriert das eine wie das andere und verlangt zunächst Vertrauensbildung durch Vorleistungen. Die Drohungen Ahmadinedschads gegen Israel andererseits nimmt man dort ohne weiteres als bare Münze. Washington unterhält keine diplomatischen Beziehungen mit dem Iran. Die Behauptung Bushs, er suche nach einer diplomatischen Lösung, ist unglaubwürdig. Bislang noch nicht einmal bereit, sich auf Verhandlungen mit Iran einzulassen. Brzezinski zweifelt öffentlich an, dass die US-Regierung überhaupt ein Abkommen will.

Offenbar will der Westen sich weder durch die Inspektionen der IAEA, noch von der Regierung in Teheran von seiner Behauptung abbringen lassen, dass Iran ein Nuklearwaffenprogramm verfolgt. Unter definitiver Verletzung des Atomsperrvertrages setzt man den Iran unter Druck, um ihn zum Verzicht auf ein auf materielles Recht zu bewegen. Selbst wenn die Mullahs den Rechtsverzicht leisten und die Demütigung hinnehmen, werden sie den Druck höchst wahrscheinlich nicht loswerden. Die USA werden Beweise für die Einstellung der Anreicherung und volle Kooperation verlangen und den Streit eskalieren - sie müssen es, wenn sie sich nicht selbst der Lächerlichkeit preisgeben wollen. Alles in allem handelt sich bei der Forderung des Westens um eine bewusste Provokation, um Iran in eine Falle zu locken.

Listige Eskalationsmanöver zum Regierungssturz

Ein Blick in die jüngere Vergangenheit ist lehrreich. Der erste Schauplatz ist der Balkan. Vordergründig sah es in den Neunzigern so aus, als ob Jugoslawien nur zur Änderung seiner Politik im Kosovo gezwungen werden sollte. Der Öffentlichkeit wurde vorgegaukelt, dass Belgrad vor der Wahl stehe, einzulenken oder Gewalt hinzunehmen. Tatsächlich gab es keine Alternative. Denn im Hintergrund machten die USA der Regierung Jugoslawiens klar, dass sie der NATO zwecks Überwachung der Maßnahmen freien Zugang und die ungehinderte Bewegungsfreiheit im ganzen Lande zu erlauben hatte, dass also unter dem “Einlenken” die Aufgabe der staatlichen Hoheit zu verstehen war. Da Milosevic nicht freiwillig kapitulierte, wurde das Land zerbombt und seine Regierung gestürzt. Serbien wurde zur Halbkolonie und das Kosovo zum amerikanischen Stützpunkt.

Fall 2 führt uns nach Afghanistan. Nach den Anschlägen auf das WTC hatten die USA ihr Recht auf Selbstverteidigung reklamiert. Vordergründig wurden die Taliban nur aufgefordert, Osama bin Laden, den vermeintlichen Drahtzieher der Septemberanschläge, auszuliefern und die Ausbildungslager von Terroristen zu schließen. In Wirklichkeit verlangten die USA von den Taliban ultimativ das Recht, eigene Truppen ins Land zu bringen, angeblich um die Lager selbst zu zerstören, also wieder die Preisgabe der afghanischen Souveränitä. Was als Terroristenfahndung inszeniert wurde, entpuppte sich als ein strategisches Manöver, um die Taliban zu stürzen, Afghanistan als Brückenkopf zu besetzen und in den Nachbarländern Militärstützpunkte einzurichten. Der vorgebliche Grund des Krieges wurde vergessen. FBI-Chef Müller gab zu, dass nichts Justitiables gegen bin Laden vorlag.

Fall 3 spielt im Irak. Die USA behaupteten, dass Bagdad über Massenvernichtungswaffen verfüge, und forderten die vollständige Entwaffnung des Landes. Nachdem die Inspektoren der UNO auch nach jahrelanger Suche niemals fündig geworden waren, ganz einfach weil nichts da war, fabrizierten die Amerikaner Beweise für die Existenz von verbotenen Waffen und erklärten, dass die Suche nur deshalb erfolglos blieb, weil die irakischen Behörden angeblich nicht kooperierten und weil die Inspektoren unfähig seien. Deutschland und Frankreich schlugen vor, ein robustes Inspektionsregime zu installieren, das in der Lage sei, sich überall Zugang zu verschaffen. Aber den USA stand nicht der Sinn nach der Beteiligung an einem multilateralen Kontrollregime. Frankreich und Russland hatten Öl-Konzessionen im Irak erworben, deutsche Unternehmen unterhielten florierende Geschäftsbeziehungen. Die Amerikaner und Briten hatten nicht während zehn Jahren Embargo und Flugverbote durchgesetzt und Kleinkrieg geführt, um sich hinten anzustellen. Umgekehrt wird ein Schuh daraus. Die USA wollten ein neues Regime, das ihnen privilegierte Beziehungen, Vorrang bei der Privatisierung der irakischen Ressourcen und auf Dauer militärische Stützpunkte im Lande einräumt. Die Massenvernichtungswaffen waren frei erfunden worden, um den Druck gegen Bagdad zu bis zum Krieg zu eskalieren, das Land zu besetzen und eine genehme Regierung zu installieren.

Iran muss fallen

Der Iran ist das Filetstück Zentralasiens. Ohne die Kontrolle über den Iran ist die Kontrolle über Zentralasien und seine Ressourcen nicht zu haben und ohne die Vorherrschaft über Zentralasien gibt es keine Hegemonie in Asien. Das hat Brzezinski überzeugend in “The Grand Chessboard” dargelegt und Amerikas Elite hält sich in dieser Hinsicht an sein Drehbuch. Die Eroberungen Afghanistans und des Irak sind zugleich Schritte zur Einkreisung des Iran, vorbereitende Züge, um dessen Regierung zu stürzen. Sie muss fallen, ganz gleich wie, durch Subversion, durch einen militärischen Enthauptungsschlag oder im Zusammenhang mit einer weitgehenden Zerstörung des Landes.

Alle strategischen Dokumente der amerikanischen Regierung machen unmissverständlich klar, dass sie einen langen Krieg führt, um das Aufkommen eines Rivalen zu verhindern. In Asien gibt es gleich drei Bewerber, Indien, Russland und China insbesondere. Alle drei haben große Potentiale, riesige Territorien und Bevölkerung und entfalten eine gewaltige wirtschaftliche Dynamik. Diese werden Länder unweigerlich einen wachsenden Einfluss auf die zentralasiatischen Länder ausüben, solange es daselbst keine regionale Großmacht gibt, die sie daran hindert. Daraus könnte eine Vormachtstellung auf dem ganzen Kontinent erwachsen und die amerikanische Rolle in Asien marginalisieren. Wenn es den Amerikanern nicht gelingt, selbst die beherrschende Stellung in Zentralasien zu erlangen, müssen sie unter allen Umständen verhindern, dass einer der potenziellen Rivalen erfolgreicher ist. Sie werden zumindest versuchen, sein wirtschaftliches Wachstum strategisch zu behindern. Und Iran ist ein Schlüssel für die wirtschaftliche Entwicklung Russlands und Chinas. Lenin, der gern als Zeuge für die ökonomischen Ursachen des kapitalistischen Imperialismus zitiert wird, hat die Sache so auf den Begriff gebracht: politisch “ist für den Imperialismus wesentlich der Wettkampf einiger Großmächte in ihrem Streben nach Hegemonie, d.h. nach der Eroberung von Ländern, nicht so sehr direkt für sich als vielmehr zur Schwächung des Gegners und Untergrabung seiner Hegemonie.”

Die Besetzung des Balkan, des Zweistromlandes und Afghanistans stehen mit der Bedrohung des Iran in einem engen geostrategischen Zusammenhang. Alle vier Länder liegen nicht zufällig mit Anatolien in einer schnurgeraden Linie, die sich von den Toren Wiens bis zum Himalaja erstreckt. Es ist der geopolitische Containementstreifen gegen eine mögliche Ausweitung des russischen oder chinesischen Einflusses nach Süden. Real aber ist es die äußerste Aufmarschlinie von Südwesten gegen Russland und China, an der die USA und ihre Partner Stellung für den nächsten Weltkrieg beziehen, von dem seit dem Ende des Kalten Krieges und dem Zusammenbruch der Sowjetunion die Rede ist. Mit dieser Länderkette stützen die Amerikaner ihre vorgeschobenen Positionen im Kaukasus und auf dem umkämpften zentralasiatischen Terrain im Westen und Osten des Kaspischen Meeres, auf den Schauplätzen der Tschetschenienkriege und der bunten Revolutionen. Der Iran ist das Hauptkettenglied für die Verbindung zwischen Anatolien im Westen und dem weit vorgeschobenen Brückenkopf Afghanistan im Osten. Deshalb muss Iran fallen! Viele linke Autoren versuchen die Unterwerfung von Afghanistan und auch von Serbien mit Korridoren für Pipelines und die Eroberung von Irak und Iran vor allem mit der Gier nach den dortigen Energieressourcen zu erklären. Beweise für diese vulgär-ökonomistischen Thesen im Licht der Fakten stehen aus. Der Ölpreis hat sich seit Jahresbeginn verdreifacht. Die Befürchtung, dass er weiter steigt, scheint die Kriegsbereitschaft von potentiellen Kriegspartnern eher zu dämpfen. Ganz sicher aber ist, dass die USA ohne den Iran ihre Vormachtstellung in Zentralasien nicht konsolidieren können, dass alle bisherigen Militärinterventionen in Zentralasien Stückwerk bleiben. Und nur durch die Einreihung Irans in diese Linie erschließt sich auch der vom ehemaligen Verteidigungsminister Struck offenbarte geheimnisvolle Zusammenhang zwischen der Freiheit der Deutschen und den Gipfeln des Hindukush.

Die Muslime haben das Pech, dass sie die südlichen Randzonen Eurasiens bewohnen zwischen den Angelsachsen auf der einen und den Russen und Chinesen auf der anderen Seite. Daher erscheinen die jüngsten Feldzüge als Kampf gegen den Islam. Er wird schon bald seinen einseitig antiislamischen Charakter verlieren, wenn die Amerikaner nämlich ihren Ring enger ziehen und die buddhistischen Völker Südostasiens in Mitleidenschaft geraten. Der US-Imperialismus muss diese Zwischenzonen unter seine Kontrolle bringen, bevor er sich er sich voll auf den Kampf mit den künftigen Rivalen einlassen kann. Geschickt versucht er derzeit, Indien mit Zuckerbrot auf seine Seite zu ziehen. Die kleinen Länder nimmt er sich der Reihe nach vor, die Schwachen zuerst, mit Erpressung oder Gewalt. Bevor er angreift, versucht er sie zu isolieren und zu entwaffnen. Bisher waren Russland und China bereit, diese Länder ihrem Schicksal zu überlassen. Aber schon zögern sie, Sanktionen gegen Iran zuzustimmen. Und Russland will die zugesagten Flugabwehrraketen ungeachtet des amerikanischen Protests an Iran liefern.

Was also sollten sich die Amerikaner bei dieser Interessenlage von Verhandlungen mit dem Iran erhoffen? Wenn ein Kompromiss gefunden wird, der den Iranern das Recht zur Urananreicherung belässt, wenn auch nur unter strenger Kontrolle, z.B. als joint venture, dann hätte die EU-Taktik die vermeintliche Gefahr der Proliferation gebannt. Die Europäer würden auf der internationalen Bühne einen immensen politischen Prestigegewinn verbuchen, weil sie einen drohenden Krieg abgewendet haben. Sie würden ihre Wirtschafts- und Handelsbeziehungen erhalten und bevorzugt ausbauen können, während die US-Konzerne das Nachsehen hätten und Amerikas geostrategischer Vormarsch einen irreparablen Rückschlag erlitte. Heilige Einfalt! Dafür hat die US-Regierung nicht ein Vierteljahrhundert lang Sanktionen gegen amerikanische Firmen durchgesetzt, die sich in Iran engagieren wollten. Die Amerikaner wollen die erste Geige im Iran und auf dem eurasischen Kontinent spielen und dazu müssen sie den strategischen Geländegewinn machen. Sie werden keine Ruhe geben, bis das iranische Regime gestürzt ist. Und wenn sie die Kontrolle nicht für sich selbst gewinnen können, so werden sie zumindest zu verhindern wissen, dass es einem potenziellen Rivalen gelingt. Sie haben die Mittel, die Fähigkeit und die erwiesene Bereitschaft, große Zerstörung zu hinterlassen, bevor sie aufgeben.

Auf jede Täuschung vorbereitet sein

Der Iran hat gewichtige Gründe, der Erpressung nicht nachzugeben. Erstens, weil es sich um ein vertraglich zugesichertes materielles Recht handelt. Es gibt nicht den geringsten Zweifel daran, dass der Atomsperrvertrag den gesamten nuklearen Kreislauf erlaubt, sofern er ausschließlich für friedliche Zwecke ausgenutzt wird. Zweitens Iran würde seine Position durch Einlenken schwächen und die Solidarität der Blockfreien verlieren. Solange Iran seine Rechte aus dem internationalen Vertrag verteidigt, tritt es zugleich ein für die Rechte der übrigen Unterzeichnerstaaten, die keine Kernwaffen besitzen. Sie werden in ihrem eigenen Interesse abwägen, ob sie sich gegen Iran positionieren lassen. Sobald der Iran die Forderung des Westens erfüllt, begibt er sich aus einer allgemeinen Rechtsposition in ein besonderes Vertragsverhältnis zum Westen, das nur er zu erfüllen hat. Er würde dadurch zwangsläufig an internationaler Unterstützung verlieren.

Die Erpresser werden den Druck auf Iran erhöhen, so oder so. Schon behaupten die USA, dass Iran mit dem angeblichen Atomwaffenprogramm ihre Sicherheit bedroht. Der Nationale Sicherheitsrat der USA hat den Iran zur größten Herausforderung erklärt. Die Amerikaner machen Druck, um freie Hand für Gewaltanwendung zu erhalten. Sie versuchen, die Europäer, Russen und sogar die Chinesen vor ihren Karren zu spannen. Noch hat der Sicherheitsrat der UNO nur eine Empfehlung ausgesprochen, wonach es hilfreich wäre, wenn Iran die Anreicherung aussetzt. Aber schon wird draufgesattelt. Rice und US-Botschafter bei der UNO Bolton fordern, dass der Sicherheitsrat eine Resolution verabschiedet, wonach der Iran mit seinem Atomprogramm den Frieden und die Sicherheit bedroht. Rice hat mehrmals darauf hingewiesen, dass die USA das Recht zur Selbstverteidigung haben und für einen Militäreinsatz nicht unbedingt eine Entscheidung des Weltsicherheitsrates bräuchten. Dazu könne man auch - wie im Irak oder auf dem Balkan - abermals eine "Koalition der Willigen" organisieren. Unterdes laufen im Hintergrund die amerikanischen Kriegsvorbereitungen und verdeckte Operationen zur Destabilisierung des Iran weiter. Der gut informierte US-Journalist Hersh berichtete bereits vor einem Jahr, dass US-Agenten im Iran ausschwärmen, um Angriffsziele zu orten. Jetzt hat er im New Yorker Alarm geschlagen, weil das Pentagon den Einsatz nuklearer Bunker Buster erwägt. US-Militärs hätten davor gewarnt und dagegen protestiert. Das ist sicher ehrenwert, beruhigt aber nicht. Soldaten entscheiden nicht, sie haben ihren Job zu erledigen. Die London Times und die Washington Post diskutieren bereits Einzelheiten der verschiedenen militärischen Planspiele. Pentagon Berater Luttwak vertritt die These, dass die nuklearen Einrichtungen im Iran in einer Nacht zerstört werden können. Es wird aber auch erwogen, Zerstörungen größeren Ausmaßes anzurichten. Dann wird es etwas länger dauern. Die Briten werden wohl wieder dabei sein, obwohl ihr Außenminister Straw Gewaltanwendung mehrmals für unvorstellbar erklärt hat. Schon 2004 haben britische Offiziere an amerikanischen Kriegsspielen unter dem Codenamen “Hotspur” für eine mögliche Invasion des Iran geübt.

Die New York Times hat die Enthüllungen von Hersh über die Vorbereitungen zu nuklearen Schlägen gegen Iran zwar beschwichtigend unter der Überschrift Kriegsphantasien abgetan Bush hat Angriffspläne gegen den Iran als wilde Spekulationen zurückgewiesen. Die Welt hat aber allen Grund, die Warnungen ernst zu nehmen, die Wachsamkeit zu erhöhen und ihren Widerstand zu verstärken. Auch wenn die USA ihre Glaubwürdigkeit weltweit verspielt haben, die Glaubwürdigkeit ihrer Drohung mit Gewalt haben sie sich erhalten. Sie befinden sich erklärtermaßen im Krieg, für lange Zeit und im Prinzip gegen alle. Von Clausewitz wissen wir, dass das Wichtigste im Krieg die Täuschung ist, und die Meister des Krieges im Pentagon haben der Weltöffentlichkeit schon viele Lektionen in brillanter Kriegslist erteilt.

Die Entscheidung über Krieg fällt in Washington. Sie fällt unabhängig davon, ob Iran die Anreicherung einstellt oder fortsetzt. Auch wenn die Mullahs einlenken, werden die Amerikaner den Druck auf die derzeitige iranische Führung zu eskalieren. Sie werden solange Beweise fordern, bis Teheran schließlich aufhört zu kooperieren. Die Bedrohung des Iran datiert nicht erst seit seinem Atomprogramm. Die USA haben den Mullahs nie verziehen, dass sie ihre Statthalter in der nationalen-islamischen Revolution 1979 aus dem Lande vertrieben haben. Seither haben sie jeden Kontakt verweigert und alle möglichen Sanktionen verhängt. Bush und die Neokons sind angetreten mit dem erklärten Ziel, das bloße Containement zu beenden und die anstehenden Probleme zu lösen. Nach dem Terroranschlag vom September 2001 haben sie begonnen, das Land militärisch einzukreisen. Iran ist das einzige Land außer Canada, jenseits dessen Grenzen überall Amerikaner stehen. Iran ist das bedeutendste Land des Mittleren Ostens und Schwerpunkt des globalen amerikanischen Hegemonialstrebens. Das Atomprogramm ist der Beißknochen für die Öffentliche Meinung und der Köder für die Willigen. Sie werden es zur Pseudolegitimierung verwenden.

Ein schwacher Silberstreif für die Wahrung des Friedens erscheint am Horizont. Die amerikanische Elite erkennt, dass der Einmarsch in “ein weitgehend gebirgiges Land mit einer relativ gut ausgestatteten Armee etwas anderes wäre als die Beseitigung der von jahrelangen Sanktionen geschwächten Streitkräfte des Flachlandes Irak.” Die Führung zieht vorerst nur den Schluss, dass sich das Militär entsprechend gründlich vorzubereiten hat. Aber der Bevölkerung wird es nicht entgehen, dass sie große Opfer bringen muss. Ihr Widerstand wird wachsen.