Achtung! Die Plattform lebt.

Die Kommunistische Plattform biedert sich wieder einmal an. Sie wünscht dem Parteivorstand, und besonders der "lieben Gabi", "Kraft und das Vermögen zu tun, was in Gera beschlossen wurde". Sie bietet ihre Unterstützung an, soweit Gera mit Leben gefüllt wird. Da reibt sich der geneigte linke Leser die Augen und fragt sich, welche klaren inhaltlichen Beschlüsse in Gera gefaßt wurden? Den sich selbst so bezeichnenden Reformern wurde eine Absage erteilt. Aber sonst?

Das sozialistische Profil der PDS zu schärfen - das will jeder Linke. Aber: Geht das, wenn man an den Koalitionen in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern teilnimmt? Die nach Gera gefaßten Beschlüsse zur Fortsetzung der Koalitionen haben ja die Zustimmung Gabi Zimmers gefunden. Soll die liebe Gabi diesen Kurs fortsetzen oder handelt es sich um eine Abkehr von den Geraer Beschlüssen? Waren die Geraer Beschlüsse zweideutig oder auf eine Unmöglichkeit gerichtet?

In Bezug auf die letztere Diagnose stimmen konsequente Linke mit den neoliberalen Reformlinken überein. Neoliberale Koalitionspolitik und glaubwürdige Systemopposition gehen nicht zusammen. Deshalb kann die Verbindung von oppositionellem Profil und Regierungsteilnahme durch das Versprechen von Kindergartenplätzen und Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen (unter Finanzierungsvorbehalt) nicht gelingen. Aber die KPF stellt weder Fragen, noch gibt sie Antworten. Sie verlangt statt dessen vom Parteivorstand: "Eine politische Linie muß sichtbar werden." Deren Eckpunkte, fügt die KPF hinzu, seien in Gera skizziert worden. Aber so richtig klar scheinen diese Eckpunkte der KPF auch nicht zu sein.

Nicht nur für konsequente Linke ist offenkundig, daß die Politik der Koalitionen in Mecklenburg-Vorpommern und Berlin auf einem breiten Fundament neoliberaler Politik fußt - für die Anhänger der Koalitionsparteien schön verpackt in "Sachzwänge" und garniert mit sozialen Sahnehäubchen nach dem Motto "sonst kommt es noch schlimmer" oder, für Sentimentale, "uns tränen bei sozialen Grausamkeiten wenigstens die Augen". Jede neoliberale Politik betreibt Haushaltssanierung auf Kosten der Arbeiterklasse und begünstigt die Bourgeoisie. Auch dann, wenn von sozialer Ausgewogenheit bei Nutzen und Lasten die Rede ist.

Leere Kassen sind das Resultat politischer Prioritätensetzungen und Weichenstellungen. Diese sind, in Abhängigkeit von gesellschaftlichen Verhältnissen, immer veränderbar. Allerdings: Unter den zur Zeit gegebenen Kräfteverhältnissen können Koalitionen nur so sein, wie sie sind. Das scheint in Brandenburg sogar dem Genossen Bisky zu dämmern. Anderen sogenannten Reformern ist das schon länger klar. Die umsetzbaren Reformkonzepte, die sie in der Gegenwart gemeinsam mit der SPD umsetzen könnten, haben sie nicht. Ihrem Chefideologen Dieter Klein gelingen diese Konzepte auch immer nur auf dem Papier. Deshalb ihr Gejammere und Gegreine, daß es der PDS an Konzepten mangele. Dieser Haltung ist eine gewisse Logik nicht abzusprechen, sofern der Widerstand gegen neoliberale Politik und der Kampf für die Interessen der Arbeiterklasse und die so in Angriff genommene Veränderung der Kräfteverhältnisse als Instrumente sozialistischer Politik von vornherein ausgeschlossen werden.

Konsequente Linke können und wollen sich daher mit bloß notdürftig rotgetünchten neoliberalen Koalitionen nicht abfinden. Auch nicht auf Zeit. Die Arbeit an der Verschiebung gesellschaftlicher Kräfteverhältnisse duldet nämlich keinen Aufschub und die Bourgeoisie schläft bekanntlich nicht. Hartz, Rürup & Co. auch nicht, jedenfalls nicht im politischen Sinne. Die neoliberale Offensive gegen die Arbeiterklasse, d.h. Arbeiter, Angestellte, Beamte, Schüler, Studenten, Rentner etc. rollt. Auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene werden bisher gewährte und früher erkämpfte Leistungen in Frage gestellt, gekürzt, gestrichen. Der Berliner Senat macht sich mit seinem Kampf gegen die Bindung Berlins an Flächentarifverträge sogar zur Avantgarde der neoliberalen Reaktion.

Die Politik der neoliberalen Konterreform wird von den Sozialdemagogen jedweder Couleur als moderne Reformpolitik verkauft, als im Interesse "des Ganzen" liegend, als Politik der "Wiederherstellung künftiger Reformfähigkeit" oder schlicht als Kampf für das "Gemeinwohl". Das sozialistische Konzept auf diesem Gebiet beginnt mit einem kleinen, ersten Schritt: Sofortiger Bruch mit den neoliberalen Koalitionen! Der zweite Schritt ist die Unterstützung des Widerstands gegen jeden weiteren Sozialabbau! Wer mit großem Gefährt durch den Wald will, darf nicht jeden Baum übersehen.

Das Problem der PDS mit der sozialen Frage besteht nicht darin, daß es dazu keine sozialistischen Konzepte gäbe, sondern darin, daß bisher alle politischen Strömungen des Apparats eine klassenkämpferische sozialistische Politik ablehnen und nach Ersatzlösungen suchen, die sich mit Schröder, Müntefering, Wowereit, Ringsdorff durchsetzen ließen. Mit ebensoviel sachlicher Berechtigung ließe sich ein Bündnistraum mit den Chefs der CDU-Sozialausschüsse ausmalen. Aber echte Reformen sind in Phasen kapitalistischer Stagnation, von Krise noch gar nicht zu reden, ohne energischen außerparlamentarischen Kampf nicht machbar. Aber so viel Realismus ist von Realpolitikern nicht zu erwarten.

Hierzu schweigt sich die Kommunistische Plattform aus. In Berlin hieß es, man könne ja vielleicht später über den Ausstieg aus der Koalition diskutieren. Ob die KPF dafür oder dagegen Stellung nimmt, war bei der Berliner Basiskonferenz im Dezember nicht zu hören. Es ist zu bedauern, daß der Kommunistischen Plattform jetzt nichts besseres einfällt, als "noch im Jahre 2003" eine Arbeitskonferenz unter dem Arbeitsthema: "Die PDS und die soziale Frage" zu fordern, auf der der Parteivorstand ein Konzept "zu dieser täglich brennender werdenden Problematik vorlegt und vorbehaltlos diskutiert wird." Noch im Jahre 2003! Hoffentlich wird den Genossen der KPF bei ihrem atemberaubenden Tempo nicht schwindelig. Unterdessen rollt die neoliberale Offensive. Dort, in den realen gesellschaftlichen Auseinandersetzungen und nicht in Konferenzpapieren, muß die PDS oppositionelles Profil zeigen.

Dieter Elken, 05.01.03