Dieter Wilhelmi:
Politik ohne Kompaß
- die irakischen Arbeiterkommunisten
Ein eindimensionales Weltbild
Für die iranischen und irakischen Arbeiterkommunisten[1] hat es mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion einen Epochenbruch gegeben. Das ist angesichts der Tatsache, daß die Arbeiterkommunisten die UdSSR für staatskapitalistisch gehalten haben, erstaunlich inkonsequent[2], weil danach der Zusammenbruch der UdSSR nur als Machtverschiebung innerhalb der kapitalistischen Klasse analysiert werden dürfte, der zudem noch in weiten Teilen der Ex-UdSSR mit einem Zuwachs an demokratischen Freiheiten verbunden war. Die Arbeiterkommunisten sehen statt dessen einen weltweiten Rechtsruck, der überall nationalistischen, ethnischen und rassistischen Bewegungen Auftrieb gab und in Politik, in Kunst, Kultur, Bildung, Medien und Wissenschaft zu regressiven Entwicklungen führte. Die reaktionärsten ideologischen Doktrinen des Westens und die steinzeitliche Reaktion des politischen Islam verbanden sich ihrer Theorie zu Folge in einem einzigen reaktionären, miteinander kooperierenden terroristischen Lager.[3] Die drastische Verschlechterung des Kräfteverhältnisses zwischen Weltproletariat und den Bourgeoisien, die zweifellos mit dem Zusammenbruch der Arbeiterstaaten eingetreten ist, wird von den Arbeiterkommunisten als ein Weltuntergangszenario auf der ganzen Linie begriffen.
Demgegenüber gelte es, das Banner des Säkularismus und der Trennung von Kirche und Staat hochzuhalten, jeden Nationalismus zu bekämpfen, die These vom kulturellen Relativismus zu diskreditieren, die Menschlichkeit anzusprechen und dem Lager der internationalen Reaktion entgegenzutreten. Dieses Lager werde repräsentiert durch den westlichen Block und den politischen Islam, dessen Rückgrat die islamische Regierung im Iran darstelle. Beide bilden das Lager des internationalen Terrorismus.
Im Kampf gegen dieses Lager der Reaktion sehen sich die Theoretiker Arbeiterkommunisten als die Avantgarde schlechthin - als einzige Kraft, die entschlossen zurückschlägt und vorwärtsgeht.
Dieses Weltbild verzichtet auf jede tiefergehende Analyse des imperialistischen Weltsystems. Es ist oberflächlich und nahezu völlig undifferenziert, entbehrt jeder ernsthaften klassenpolitischen Analyse. So offenkundig es ist, daß der Zusammenbruch der Sowjetunion und der RGW-Staaaten zu einer relativen Stärkung des Imperialismus geführt hat, so katastrophal die Auswirkungen dieses Zusammenbruchs auf das Kräfteverhältnis zwischen internationalem Proletariat und der Weltbourgeoisie waren (und so desaströs für das Lebensniveau in den ehemaligen RGW-Staaten), so falsch ist es, die Auswirkungen der schlimmsten historischen Niederlage des Weltproletariats seit 1933 nur als eine einzige reaktionäre Woge zu begreifen.
Anstatt die Perspektiven des Klassenkampfs aus den realen Widersprüchen der jüngsten Phase der kapitalistischen Entwicklung abzuleiten, gerät der Widerstand gegen das "reaktionäre Lager" den Arbeiterkommunisten zum bloßen moralischen Gebot. Obwohl der Zusammenbruch der Sowjetunion für die Theoretiker der Arbeiterkommunisten Ausgangspunkt ihrer Einschätzung der Weltlage ist, haben sie daher keinen Bedarf an einer Analyse der sich neu herausbildenden Klassenbeziehungen in den Nachfolgestaaten der UdSSR und an einer Analyse der Beziehungen zwischen den dort neu entstandenen und noch entstehenden Bourgeoisien mit den imperialistischen Mächten. Ebensowenig stellen sie die Frage danach, wie sich die Verhältnisse zwischen diesen Mächten unter den radikal veränderten internationalen Verhältnissen entwickeln und welche Perspektiven sich daraus in den Halbkolonien des imperialistischen Systems ergeben.
Selbst auf der Ebene der politischen Erscheinungsformen, die allein im Brennpunkt der Aufmerksamkeit der Arbeiterkommunisten zu stehen scheint, fehlt jede konkrete Analyse der Beziehungen zwischen den diversen bürgerlichen und kleinbürgerlichen Bewegungen untereinander und deren jeweiligem Verhältnis zu den imperialistischen Mächten. Daß die Taliban und Al Khaida unter anderem Ziehkinder des US-Imperialismus waren, ändert z.B. nichts daran, daß deren zunächst enges Verhältnis mit dem Imperialismus bis hin zu einem bewaffneten Konflikt gegeneinander degenerierte. Daß alle imperialistischen Mächte den Terror der iranischen Führung gegen die Bewegungen der Arbeiterklasse im Iran jahrelang schweigend (aber mit klammheimlicher Zustimmung) übergingen, ändert nichts am inzwischen langjährigen Konflikt des US-Imperialismus mit dem Regime der islamischen Republik - das zugleich beste Beziehungen zu europäischen imperialistischen Mächten pflegte.
Es ist unsinnig, derartige Konflikte zu ignorieren und alle für sich genommen reaktionären Kräfte unterschiedslos in einen Topf zu werfen. Wer unter Berufung auf moralische Werte deren unterschiedliche Zielsetzungen und ihre Konflikte untereinander nicht zur Kenntnis nimmt, wird nicht in der Lage sein, diese Unterschiede bei der Formulierung einer politischen Strategie und bei der Bestimmung von Taktiken zur Umsetzung einer Strategie zu berücksichtigen. Wer nicht in der Lage ist zu begreifen, daß auch im Klassenkampf ein zunächst überlegenes gegnerisches Lager in aller Regel an seinem schwächsten Punkt angegriffen werden muß, dem ist nicht zu helfen. Wer erfolgreich die Welt verändern will. muß sie kennen.
... und ein demokratisches Rumpfprogramm
Noch dürftiger als die Doktrin von der einzigen großen reaktionären Masse ist das strategische Konzept der Arbeiterkommunisten. Dem reaktionären Lager halten die Arbeiterkommunisten ein ausschließlich radikaldemokratisches, säkulares Konzept der Trennung von Religion und Staat, Antirassismus und Frauenrechten entgegen.[4]
Unsere Kritik richtet sich nicht gegen diese im Iran und im Irak notwendigen demokratischen Zielsetzungen. Im Gegenteil kann die gesamte internationale sozialistische Linke von der Art der Führung des demokratischen Kampfes durch die Arbeiterkommunisten eine ganze Menge lernen. Aber die ausschließliche Konzentration des demokratisch-revolutionären Kampfes auf den Säkularismus und auf Frauenrechte unter Vernachlässigung des Antiimperialismus ist mehr als fragwürdig. Die wird am Beispiel des Irak zu zeigen sein.
Nicht zuletzt ignoriert die Vernachlässigung anderer Zentralforderungen eines demokratisch-revolutionären Programms, wie die nach einer souveränen verfassunggebenden Versammlung und einer provisorischen revolutionären antiimperialistischen Übergangsregierung die unmittelbare Verknüpfung dieses Kampfs mit de Kampf für die Klasseninteressen des Proletariats, der armen Bauernschaft und des ruinierten Kleinbürgertums. Je konsequenter die werktätigen Massen diesen Kampf führen, desto größere Teile der Bourgeoisie werden sich mit dem Imperialismus arrangieren. Eine demokratische und antiimperialistische Übergangsregierung wird daher eine Arbeiterregierung sein, die sich auf das Bündnis mit den Bauern und Teilen des Kleinbürgertums stützt.
Deren Klassenziele werden von den Arbeiterkommunisten aber hinter einem bloßen Minimalprogramm versteckt, ausdrücklich abgetrennt von allen politischen Perspektiven. Der notwendige alltägliche Überlebenskampf ist mit Sicherheit eine gewaltige Bremse für alle Massenmobilisierungen. Aber zugleich gilt, daß dieser Kampf, soweit die werktätigen Massen in der Lage sind, ihn kollektiv zu führen, unmittelbar zur Konfrontation mit dem Besatzungsregime und seinen Kollaborateuren führt. Tatsache ist jedoch, daß angesichts des Vernichtungsfeldzuges des Imperialismus gegen die irakische Wirtschaft der industrielle Wiederaufbau nur möglich ist, wenn die Arbeiterklasse ihn in die Hand nimmt, ihn kontrolliert und den Ausverkauf der natürlichen Ressourcen verhindert.
Der Wiederaufbau ist ohne den Kampf gegen die Reprivatisierung der nationalisierten Teile der Wirtschaft und ohne den Kampf für die Arbeiterkontrolle in den Betrieben wie auf staatlicher Ebene nicht möglich. Dieser Kampf ist nicht nur ein Kampf gegen kollaborationistische Manager vor Ort und gegen Bürokraten in Bagdad, sondern er ist untrennbar mit dem Kampf gegen die Ausplünderungspolitik der Besatzungsmacht verbunden. Da die reale Bourgeoisie diesen Kampf nicht konsequent führt, kann die Führung dieses Kampfes nur in den Händen des Proletariats liegen. Versagen dessen politische Organisationen wäre die Niederlage letztlich unvermeidlich.
Der Kampf für eine revolutionäre, antiimperialistische Demokratie[5] ist deshalb unaufschiebbar. Er beinhaltet den Kampf gegen die Besatzung, gegen die Kollaboration und für eine souveräne verfassunggebende Versammlung und eine provisorische revolutionäre Regierung, die sich auf den revolutionären Widerstand stützt. Er muß im Mittelpunkt jeder proletarischen Politik stehen. Dieser Kampf kann letztlich nur unter Führung des Proletariats siegreich beendet werden.
Unmittelbar müssen jedoch Bündnisse mit nationalistischen und demokratischen Kräften propagiert werden, die den Anspruch erheben, sich gegen den Imperialismus zu wenden oder diesen Kampf tatsächlich schon führen. Die Bereitschaft zur punktuellen Zusammenarbeit ist selbst dort notwendig, wo keine ausreichende politische Basis für umfassendere Kampfabkommen besteht. Die ungenügende Analyse der Arbeiterkommunisten führt hier zur Desorientierung und Selbstisolation von relevanten Teilen der widerständigen Massen.
Die Arbeiterkommunisten im "dunklen Szenario" des Irak
Das politische Chaos nach der Zerschlagung des Baath-Regimes durch die angloamerikanischen Truppen, die Desintegration und der Niedergang der irakischen Gesellschaft werden von den Arbeiterkommunisten zusammenfassend als "dunkles Szenario" bezeichnet. So charakterisierten die Arbeiterkommunisten bereits in den neunziger Jahren das zerfallende Bosnien.
Was ist das erste Charakteristikum des dunklen Szenarios im Irak? Es ist die angeblich fehlende Staatsmacht, "die Beseitigung des Staates von oben" - das heißt die Zerschlagung des Baath-Regimes durch die angloamerikanischen Truppen. Der baathistische Staat sei durch keine andere politisch-administrative Maschinerie ersetzt worden. Es gebe daher "keinen Staat im eigentlichen Sinne des Wortes". Angeblich gibt es deshalb keinen direkten Adressaten für Proteste und politische Kämpfe. "Es gibt keinen Staat, den man verantwortlich machen oder bekämpfen und gegen den man sich organisieren oder den man in einer Revolution überwinden könnte."[6]
Diese Analyse ist realitätsblind. Die Besatzungsmacht im Irak ist die Staatsmacht. Sie ist zwar eine Staatsmacht, die die Macht vorrangig im Interesse des US-amerikanischen Finanzkapitals und nur der z.Z. verhältnismäßig schwachen , kollaborierenden irakischen Bourgeoisie ausübt, aber sie ist eine sehr reale Macht. Dies trotz ihrer nur unzureichenden Konsolidierung und der fehlenden "Normalität".
Es handelt sich hier um eine sehr spezielle Form der Klassenherrschaft, unverhüllt, brutal und offen terroristisch, ohne glaubhafte demokratische Legitimation. Es fehlt der im Kapitalismus übliche nationalstaatliche Mantel bürgerlicher Herrschaft. Das mag nicht "normal" sein, aber es ist Tatsache. Es ist auch dann eine anzuerkennende Tatsache, wenn in einigen Regionen des Irak die Besatzungsmacht nicht in der Lage ist, ihre Herrschaft zur Geltung zu bringen.
Trotzdem kann nicht von einem "staatlichen Vakuum" oder einem Leerraum die Rede sein. Richtig ist nur, daß sich die Strategen des US-Imperialismus in geradezu grotesker Weise verspekuliert haben im Hinblick auf den realen Rückhalt der mit ihnen kollaborierenden Kräfte in der irakischen Gesellschaft, jedenfalls außerhalb Kurdistans. Das hat im Ergebnis dazu geführt, daß zwischen der Besatzungsmacht und der nationalen Gesellschaft des Irak eine tiefe Kluft besteht, daß es der Besatzungsmacht bisher nicht gelungen ist, die irakische Gesellschaft zu kontrollieren und sich mit ihr bzw. ihrer herrschenden Klasse symbiotisch zu verbinden.
Die Wahlen am 30. Januar 2005 haben gezeigt, daß dem angloamerikanischen Imperialismus kein anderer Ausweg bleibt, als das Bündnis mit schiitischen Kräften zu suchen, deren bewaffnete Niederschlagung durch Saddam Hussein er 1990 durch den Stopp der imperialistischen Kriegsmaschinerie ermöglichte. Das mag zu einem zerbrechlichen neuen Marionettenregime führen, hat aber hat mit einem "Machtvakuum" nichts zu tun und nie zu tun gehabt. Daß die linken Arbeiterkommunisten inzwischen einräumen, daß ihr "dunkles Szenario" durch ein solches Marionettenbündnis beendet werden könnte, dem sie bescheinigen, die gesellschaftlichen Konflikte nicht lösen können, ist Augenwischerei. Seit wann kann eine kapitalistische Gesellschaft in einer akuten Krise ihre Konflikte lösen?
Politische Desorientierung
Aus der falschen Analyse folgt die politische Desorientierung: Weil es angeblich keinen Staat gibt, der zu überwinden ist, soll es, so der ideologische Führer der Arbeiterkommunisten, keine Revolution geben, die organisiert und geführt werden kann: "In einer Gesellschaft ohne Staat kann man nicht in Opposition stehen. Wir sind nicht die Opposition einer an der Macht befindlichen Regierung."[7] Stattdessen komme es darauf an, nicht nur für die Rechte und Freiheiten des Volkes zu kämpfen, sondern wie nach einer Naturkatastrophe gelte es, die Zivilgesellschaft im grundlegendsten Sinne wiederaufzubauen und für ein normales Leben mit einem Minimum an sozialer Sicherheit zu sorgen. Der Kampf für das Überleben der Zivilgesellschaft und für "die Existenz eines Staates als Vorbedingung fafür",
seien die wichtigsten Kämpfe im "dunklen Szenario" des heutigen Irak.
Hier zeigt sich, daß sich die Tatsache, daß der Klassenkampf in der Regel der Form nach national geführt wird, bei den Ideologen des Arbeiterkommunismus in ein Dogma verwandelt, daß sie die komplexe internationale Realität des Klassenkampfs im Irak übersehen läßt. Die imperialistische Staatsmacht im (!) Irak wird übersehen und darüber lamentiert, daß keine anerkannte inländische Staatsmacht existiert, an die man sich mit seinen Forderungen wenden könnte. Weil diese noch nicht existiert, verstehen es die Arbeiterkommunisten nicht, den alltäglichen Kampf des Proletariats mit dem Kampf für den Sozialismus und um die Staatsmacht zu verbinden. Sozialismus soll im Dorfe stattfinden, in Wohnvierteln, und Städten - ohne gesamtstaatliche Perspektive. Es fehlt ein Übergangsprogramm und es fehlt eine Übergangsstrategie.
An den Thesen der Arbeiterkommunisten ist nur richtig, daß im Irak die Aufgaben einer sozialistischen Revolution nicht unmittelbar im Vordergrund stehen. Dennoch werfen selbst die elementarsten Kämpfe um ökonomische Ziele sofort weitergehende Fragen auf.
Der nationale Neuaufbau setzt die Verfügung über die nationalen Ressourcen voraus. Es ist daher wichtig zu betonen, daß nur das Proletariat und die von ihm durchgeführte Vergesellschaftung der Ölindustrie und der Banken einen demokratischen nationalen Neuaufbau sichern kann. Jeder ernsthafte Fortschritt im Kampf für die nackte Existenz ist deshalb mit der Formulierung eines nationalen, demokratischen und antiimperialistischen Programms untrennbar verbunden. Der irakischen Arbeiterklasse verbleibt sonst nur die Perspektive der Abhängigkeit von Wohlfahrtsprogrammen.
Bourgeoisie und national-demokratisches Programm
Eine zentrale Achse dieses Kampfes müßte der Kampf für eine souveräne verfassunggebende Versammlung sein und die Anerkennung des Selbstbestimmungsrechts der Kurden - einschließlich des Rechts, eine eigene verfassunggebende Versammlung einzuberufen. Voraussetzung hierfür ist der uneingeschränkte Kampf für den sofortigen Abzug der Besatzungsmächte und die Bildung einer provisorischen, antiimperialistischen Regierung des irakischen Widerstands, die allein berufen ist, diese Wahl ohne jede ausländische Einmischung zu organisieren. Das Recht der Kurden, eine eigene provisorische Regierung zu bilden, muß a priori vom Widerstand anerkannt werden.
Die Arbeiterkommunisten lehnen jedoch eine antiimperialistische Einheitsfront mit bürgerlich-nationalen, baathistischen und den islamisch orientierten Teilen des Widerstands strikt ab. Angesichts der nicht zu bezweifelnden Tatsache, daß sich erhebliche Teile dieser politischen Strömungen im offenen Konflikt mit dem Imperialismus befinden, kann diese Haltung die Arbeiterkommunisten nur von deren Basis isolieren.
Der irakischen Bourgeoisie bescheinigen die Arbeiterkommunisten bis in allerjüngste Zeit, sie habe keine andere politische Alternative zur imperialistischen Direktherrschaft, als die, auf die tribalistische, religiöse und nationalistische Karte zu setzen und sich auf mittelalterliche Kräfte zu stützen. Auch die einheimische Bourgeoisie könne den Irak nur beherrschen, wenn sie die Zivilisation negiert und die politische Herrschaft "dunklen religiösen, tribalistischen und ethnischen Kräften überlassen würde. Bestenfalls würde das "dunkle Szenario" fortgesetzt. Die Konfrontation zwischen den Nationalisten und den USA treibe die Gesellschaft "tiefer in die Barbarei und Finsternis". Die Arbeiterkommunisten behaupten deshalb, daß sie keinen Zweifrontenkampf führen, sondern einen vereinten Kampf gegen das dunkle Szenario, zur Verteidigung der Zivilisation und Menschheit.
Inzwischen zweifeln die Arbeiterkommunisten offenbar schon selbst an dieser Prognose, die außer Acht läßt, daß die Konsolidierung des neuen Marionettenregimes der offenen Rekolonisierung sich auf absehbare Zeit weder auf ein Bündnis mit den bürgerlich-nationalistischen Kräften noch mit den verarmten proletarischen Schiiten stützen kann.
Die Gleichsetzung von bürgerlich-irakischer Klassenherrschaft und bürgerlich-imperialistischer Herrschaft ist ebenso sektiererisch wie klassenpolitisch ignorant.
Was will der Imperialismus?
Das nahezu unkaschierte strategische Ziel des US-Imperialismus besteht darin, jedes Hemmnis gegen die Durchsetzung seiner totalen Kontrolle des Weltenergiemarktes zu beseitigen und sich dadurch und durch seine militärische Überlegenheit, dauerhaft die globale Hegemonie über alle potentiellen Konkurrenten zu sichern. Das schließt die Wiedererlangung der direkten Kontrolle über die irakische Ölwirtschaft ebenso ein wie die vollständige Öffnung des irakischen Marktes für US-Unternehmen - unter weitgehender Ausschaltung staatlicher und privter irakischer Unternehmen.
Dieses von den Besatzungsmächten bereits in großem Umfang durchgesetzte Programm bedeutete den Ruin größter Teile der staatlichen und privaten Wirtschaft, die sich nach der Verstaatlichung der irakischen Ölindustrie 1972 stürmisch entwickelt hatte. Obwohl der irakisch-iranische Krieg und der Golfkrieg 1990 bereits zu erheblichen Rückschlägen geführt hatte, hat die Durchsetzung des amerikanischen Eroberungsprogramms zu einer drastischen Verelendung der in den vergangenen Jahrzehnten angewachsenen Arbeiterklasse und zum Ruin weiterer großer Teile des Kleinbürgertums geführt.
Das neokolonialistische Programm des US-Imperialismus stellt sich deshalb für erhebliche Teile der irakischen Bourgeoisie und des Kleinbürgertums als Enteignungspolitik dar und die "Entbaathifizierung" und die Zerschlagung des alten irakischen Staatsapparates als Versuch der ökonomischen Vernichtung der politischen und administrativen Elite des Landes. Dies um so mehr, als sich der US-Imperialismus zu Anfang ausschließlich auf die schwachen, früher bürgerlich-monarchistischen Kompradorenelemente sowie korrumpierte rechte Dissidenten des Baath-Regimes im Exil zu stützen suchte, die nach der Revolution von 1958 ins Exil gegangen waren oder später mit Saddam Hussein in Konflikt geraten waren. Diese Kräfte hatten nur als Handlanger des Imperialismus eine Chance, zu neuen Kompradoren in einem rekolonisierten Irak zu werden.
Vor dem spezifischen Hintergrund der irakischen Geschichte erklärt diese innere Klassenkonstellation und ihr Verhältnis zum Imperialismus, weshalb wir derzeit im Irak einen realen Kampf erheblicher Teile der nationalen Bourgeoisie und des Kleinbürgertums gegen den Imperialismus erleben. Es erklärt, weshalb dieser Kampf im sunnitischen Zentrum des Irak seinen Schwerpunkt hat.
Umgekehrt erleben wir, wie der Imperialismus auch der irakischen Arbeiterklasse und dem Kleinbürgertum eine brutale Lektion hinsichtlich der realen Bedeutung des antiimperialistischen Kampfes erteilt. Rekolonisierung heißt heute Zerschlagung fast aller Errungenschaften der bisherigen kapitalistischen Entwicklung, heißt drastische Absenkung des Lebensniveaus der werktätigen Massen. Trotz seiner durch den engen bürgerlichen Horizont gesetzten Grenzen hatte demgegenüber der Baathismus nach der Nationalisierung der Ölindustrie im Irak der siebziger Jahre einen enormen sozioökonomischen Entwicklungsschub bewirkt. Die irakische Arbeiterklasse kennt deshalb den Unterschied zwischen einer wenigstens teilweise selbstbestimmten (wie unvollkommen diese Selbstbestimmung auch gewesen sein mag) nationalen kapitalistischen Entwicklung und einem peripheren Platz im imperialistischen Weltsystem.
Die Lektion lautet: Ohne einen Sieg über den angloamerikanischen Imperialismus, ohne die Durchkreuzung des neokolonialistischen Programms kann es im Irak nicht nur keinen nennenswerten Fortschritt geben, sondern würde der Irak im Gegenteil dauerhaft verelenden - die Kompradoren und ihr Repressionsapparat ausgenommen. Die negativen Folgen für die gesamte Region sollen hier gar nicht beschworen werden. Große Teile der irakischen Massen scheinen aber ihre Lektion gelernt zu haben. Die Arbeiterkommunisten nicht. Sie negieren die Notwendigkeit eines prioritär antiimperialistischen Kampfes und sie negieren die Notwendigkeit einer antiimperialistischen Einheitsfront - das ist sektiererisch und muß sie in den Augen auch der Arbeiterklasse als Spalter erscheinen lassen.
Es stimmt aber auch, daß der Baathismus die bürgerliche Revolution von 1958 niemals zu Ende geführt hat. Die Kontrolle des Staatsapparates ermöglichte es den bürgerlichen Kräften, sich den Großteil der nationalen Öleinnahmen über die gezielte Förderung der Bereicherung bürgerlicher Kräfte und des Kleinbürgertums anzueignen. Diese Art von Verteilungspolitik setzte nicht nur die exklusive politische Kontrolle über den Staatsapparat voraus, sondern auch die Absicherung dieser Kontrolle durch ein politisches Terrorregime. Ein sich verspätet entwickelnder Kapitalismus und die Durchsetzung demokratischer Freiheiten erwiesen sich selbst in einem so relativ reichen Land wie dem Irak als miteinander unvereinbar.
Die irakischen Kommunisten fielen bekanntlich ihrem Unverständnis für diesen elementaren Zusammenhang und ihrem Festhalten an der reformistischen Volksfrontkonzeption, deren zentraler Bestandteil die politische Unterordnung unter den Baathismus gewesen ist, wiederholt zum Opfer.
Die Baathisten haben nach dem Waterloo der irakischen Kommunisten einen großen Teil der nationalen Ressourcen im Krieg gegen den Iran vergeudet. Ein Krieg, den sie im Einvernehmen, wenn nicht im Bündnis und mit Unterstützung des Imperialismus führten. Erst der Versuch, das vom britischen Imperialismus vom Irak abgetrennte Kuwait zu annektieren und damit die imperialistische Ordnung des Mittleren Ostens in Frage zu stellen, veranlaßte den Imperialismus 1990, die irakische Bourgeoisie mit dem zweiten Golfkrieg zur (imperialistischen) Ordnung zu rufen. Weil es um diese Ordnung ging, stellten die siegreichen imperialistischen Truppen sofort die Kampfhandlungen ein, als sich im Südirak ein Volksaufstand entwickelte. Saddam Hussein wurde damals geschont, damit er den Aufstand der Volksmassen niederschlagen konnte. In der Folge hoffte der Imperialismus auf eine Palastrevolution ohne die Beteiligung und Aktivierung der Volksmassen, um eine willfährigeren Regierung des Irak zu gewährleisten. Weil diese Hoffnung frustriert wurde, wurde der dritte Golfkrieg für den angloamerikanischen Imperialismus notwendig - unter welchem Vorwand auch immer.
Es ist bekannt, daß das baathistische Regime schon vor dem Golfkrieg so geschwächt war, daß es an alle antiimperialistischen und patriotischen Kräfte appellierte, sich gegen den drohenden Krieg zu stellen. Jetzt, unter der Besatzung, rufen die bürgerlich-nationalistischen Kräfte zum gemeinsamen Widerstand.
Ob und in welchem Ausmaß diese bürgerlich-nationalen Kräfte im Widerstand noch den Großteil der nationalen Bourgeoisie repräsentieren, ist Europa aus schwer einzuschätzen.
Ein Teil der irakischen Bourgeoisie und große Teile des Kleinbürgertums waren und sind mit Sicherheit zunächst bereit, sich den neuen politischen Machtverhältnissen anzupassen. Das heißt auch, daß sie bereit sind, sich neuen oder anderen politischen Bewegungen zuzuwenden, vorzugsweise islamischen. Ein Teil flirtete sicher auch mit den kollaborationistischen Heimkehrern aus dem Exil. Sicher ist aber, daß die brutale US-Politik sehr große Teile dieser schwankenden Kräfte wieder auf die Seite des Widerstands getrieben hat.
Daneben versuchen vor allem große Teile des schiitischen Kleinbürgertums, die unter den Baathisten zu kurz gekommen waren, sich unter Führung von islamischen Klerikern der imperialistischen Besatzungsmacht als kleineres Übel unentbehrlich zu machen - vordergründig zwischen Kollaboration und Widerstand, aber letztlich als reaktionäre, scheinselbständige Ordnungsmacht mit demokratischer Legitimation.
Antiimperialistische Einheitsfront oder Sektierertum
Welche Haltung sollten die proletarisch-revolutionären Kräfte in dieser Situation einnehmen, in der das Proletariat noch nicht stark genug ist, die Nation zu führen? Die Beteiligung am Besatzungsregime und am Aufbau eines neokolonialen Marionettenregimes wäre offener Verrat nicht nur an der Arbeiterklasse, sondern sogar an bescheidensten Zielsetzungen einer bürgerlichen Revolution. Richtig erscheint uns demgegenüber die Strategie einer antiimperialistischen Einheitsfront als Alternative zur sektiererischen Einsamkeit der Arbeiterkommunisten.
Dabei geht es nicht um die politische Unterordnung sozialistisch- revolutionärer Politik unter die Interessen potentieller oder realer Bündnispartner, sondern um die Propagierung und die Organisierung gemeinsamer Kämpfe für definierte bürgerlich-demokratische und antiimperialistische Ziele. Ein umfassenderes Abkommen kann es dabei nur geben, wenn die proletarischen Kräfte nicht daran gehindert werden, gleichzeitig ihre eigenen Ziele zu verfolgen. Es kann selbstverständlich auch nicht bedeuten, daß eigene, weitergehende Ziele hintangestellt werden. Punktuelle Aktionseinheiten gegen den Imperialismus müssen immer möglich sein.
Antidemokratische Spaltungsakte müssen zurückgewiesen und als Verrat am antiimperialistischen Kampf denunziert werden. Ein Schwerpunkt des proletarischen Antiimperialismus muß der Kampf gegen die ökonomischen Aktivitäten der Besatzer sein. Die Arbeiterklasse muß gegen die Verdrängung inländischer Betriebe durch die Halliburton und die Bechtel mobilisiert werden, gegen die Ausschaltung irakischer Transportunternehmen, gegen jede Form der Kollaboration, gegen alle Kontrakte der Besatzungsmacht. Letztlich bedeutet das den Kampf um die Kontrolle des Wiederaufbaus der zerstörten Wirtschaft.
Wo Arbeiterkommunisten ein gewisses Gewicht haben, halten wir gemeinsame Widerstandsaktionen für sinnvoll und notwendig. Gemeinsame Aktionen sind natürlich nicht gleichbedeutend mit einheitlichen Organisationen. Ohne den Aufbau von Arbeitermilizen ist unter den jetzigen und absehbaren Bedingungen eine unabhängige Rolle der Arbeiterklasse schwer durchsetzbar. Die linken Arbeiterkommunisten fordern demgegenüber sogar die Entwaffnung aller Milizen im Irak, ohne zu sagen, wer wen entwaffnen soll.[8]
Es ist schon ein mehr als schwerer Irrtum, wenn die linken Arbeiterkommunisten glauben, die Entwaffnung des bewaffneten Widerstands im Irak könnte die proletarische Sache voranbringen.
Die Strategie des Aufbaus einer bewaffneten Volksmacht unter der Leitung der Linken Arbeiterkommunisten in Wohnvierteln und Städten, die gegen den nationalistischen und islamischen Widerstand vorgeht, ohne vom Widerstand gegen die bewaffneten Streitkräfte des Westens und der Marionettenregierung zu sprechen, kann von denjenigen Kräften, die sich im Kampf gegen den Imperialismus befinden, nur als Politik an der Schwelle zum Verrat angesehen werden. Das dürfte jede politische Einflußnahme auf diese Kräfte und die Art ihrer Kampfführung (teilweise Geiselnahme der Zivilbevölkerung) ausschließen. Die Politik der Arbeiterkommunisten ist aber leider auch sonst falsch.
Der Glaube an die Effektivität eines rein zivilen Widerstands, den die Mehrheit der Arbeiterkommunisten im Irak, die Arbeiterkommunistische Partei des Irak, immer noch als Alternative zum bewaffneten Widerstand propagiert, ist gelinde gesagt naiv: Die US-Truppen haben mehr als einmal das Feuer auf friedliche Demonstranten eröffnet und kennen keine Rücksicht auf Zivilisten. Falludscha ist hier ein Lehrbeispiel: Dort begann der Kampf bekanntlich mit Schüssen auf eine Demonstration für die Widereröffnung einer Schule, die von Besatzungstruppen okkupiert war. Inzwischen ist die Stadt ausgelöscht. Weshalb diese Brutalität? Bestimmt nicht wegen des schlechten Charakters von Rumsfeld. Der Griff nach dem Irak hat tiefere Gründe: Für den US-Imperialismus stehen im Irak enorm wichtige strategische Interessen auf dem Spiel. Die verteidigt er mit hohem Einsatz. Deshalb wird es ohne einen opferreichen Kampf keine Befreiung geben.
Die Eigenständigkeit von Arbeitermilizen ist im Kampf gegen den Imperialismus unabdingbar, um den Kampf auch dann fortsetzen zu können, wenn die schwankenden bürgerlichen Kräfte zögern, zurückweichen oder die Fronten wechseln. Gerade die irakische Erfahrung zeigt, daß bürgerlich-nationale Kräfte selbst dort, wo sie die Ölindustrie und die Banken verstaatlicht haben, nicht in der Lage sind, einen konsequenten bürgerlich-demokratischen und antiimperialistische Kurs zu verfolgen. Hiervon müssen sich die zum Widerstand bereiten irakischen Volksmassen immer wieder selbst überzeugen. Nur so können die proletarisch-revolutionären Kräfte zur anerkannten Führung des antiimperialistischen Kampfes werden.
Angemerkt sei hier, daß die schwankende Haltung der bürgerlichen Kräfte jeden Gedanken an ein stabiles und dauerhaftes Bündnis zwischen proletarischen und bürgerlichen Kräften ausschließt. Erst recht gibt es keine objektive Grundlage für eine länger dauernde demokratische Etappe der Entwicklung.
Es kann nach allen historischen Erfahrungen im Irak keinen Zweifel daran geben, daß die Entstehung einer starken und selbstbewußten Arbeiterbewegung zum Verrat der Bourgeoisie am nationalen und antiimperialistischen Kampf führen wird, zum Schulterschluß mit dem Imperialismus. Hierauf muß die Arberbewegung vorbereitet sein. Und dies ist nicht nur Zukunftsvision.
Im Hinblick auf Aktionsbündnisse und Kampfankommen mit islamischen Parteien bedeutet das, daß ein gemeinsamer organisierter Kampf nur dort möglich ist, wo die Bereitschaft besteht, für einen demokratischen Staat zu kämpfen und diese Ziele auch praktisch, in der kämpfenden Zivilgesellschaft respektiert werden. Jeder Versuch, demokratische Freiheiten der Arbeiterklasse und ihrer kämpfenden Teile einzuschränken, muß als Spaltung der antiimperialistischen Front angeprangert und auch praktisch mit allen notwendigen Mitteln zurückgewiesen werden.
Erst recht müssen diejenigen islamischen Kräfte angegriffen werden, die darauf setzen, ihre sektiererischen und antidemokratischen Ziele gestützt auf ein stillschweigendes Bündnis mit dem Imperialismus durchzusetzen. Diese Kräfte steuern einen neokolonialen Marionettenstaat mit terroristischen Herrschaftsmethoden an. Hier können, wenn überhaupt praktisch möglich, von Anfang an nur sehr fragile Aktionseinheiten in Frage kommen.
Es versteht sich von selbst, daß nur die Politik der antiimperialistischen Einheitsfront und die Akzeptanz des Selbstbestimmungsrechts der Kurden der unheiligen reaktionären Allianz zwischen der aktuellen kurdischen Führung und dem Imperialismus letztlich ein Ende bereiten kann.
Die Haltung der Arbeiterkommisten ist hier nicht ohne jede Zweideutigkeit. Das Programm Mansoor Hekmats aus dem Jahr will das Selbstbestimmungsrecht der Kurden von der Gewährung von Arbeiterrechten abhängig machen, anstatt sich ohne wenn und aber zum Leninschen Programm des Rechts auf staatliche Selbständigkeit zu bekennen. In der Praxis haben die irakischen Arbeiterkommunisten in den vergangenen Jahren eine Volksabstimmung unter Aufsicht der Vereinten Nationen gefordert. Der wirkliche Wille der Kurden liegt dabei auf der Hand. Er muß von allen respektiert werden, auch von der UNO, der kein Recht auf Einmischung in die Angelegenheiten von Völkern zuzuerkennen ist, die um ihre Freiheit kämpfen.
Die mangelnde Klarheit der Arbeiterkommunisten in der nationalen Frage nicht nur der Kurden führt zur politischen Selbstentwaffnung der Arbeiterkommunisten gegenüber der traditionellen irakisch-kurdischen Reaktion. Dies in einem Moment, wo sich diese auf eine relative Autonomie des irakischen Kurdistan beschränkt und auf einen eigenen Staat verzichtet, um die kurdische Bewegung im Dienste des Imperialismus als dessen Manövriermasse gegen antiimperialistische Bestrebungen der irakischen Massen mißbrauchen zu lassen.
Es ist bereits jetzt absehbar, daß diese Politik nicht zur heißersehnten kurdischen Eigenstaatlichkeit führen wird, sondern zur Festigung der bestehenden imperialistischen Ordnung der Region. Die kurdische Führung bereitet damit unfreiwillig ein neues Desaster der kurdischen Nationalbewegung vor. Diese Führung hat sich ja leider schon traditionell mit ausländischen antikurdischen Mächten verbündet, um ihre innerstaatlichen Ziele durchzusetzen. Dies hat den Kampf um nationale Selbstbestimmung noch immer in blutige Sackgassen geführt.
So wird es auch diesmal sein. Der US-Imperialismus wird seine Beziehungen mit der Türkei nicht für die Kurden aufs Spiel setzen. Er wird die imperialistische Ordnung der Region nicht für einen neuen kurdischen Staat gefährden. Er kann einen neokolonialen Marionettenstaat Irak nicht ohne die Kurden als innerstaatliches Gegengewicht gegen eine pro-iranische schiitische Dominanz stabilisieren. Er kann erst recht keine gerechte und demokratische Lösung der Kontrolle über die nordirakischen Ölfelder gewähren. Unter der Führung von KDP und PUK wird es deshalb nur ein neues kurdisches Desaster geben. Trotz der Tatsache, daß die Kurden ihrem Ziel der Schaffung eines kurdischen Staates, noch nie so nahe schienen.
Die Enttäuschung wird um so größer sein. Die Chancen für den Aufbau einer neuen politischen Führung der irakischen Kurden werden entscheidend davon abhängen, ob bereits jetzt eine klare politische Alternative formuliert wird. Dies wäre die Aufgabe proletarisch-revolutionärer Kräfte in Kurdistan und im arabischen Irak. Die Absage der Linken Arbeiterkommunisten an den Nationalismus der kurdischen Bewegung ist demgegenüber eine ultralinke Kinderei, nur geeignet, den Einfluß der jetzigen kurdischen Führung auf die kurdischen Arbeiter und Bauern zu stärken.
Die Lösung der kurdischen Frage kann für die Kurden nur im Bündnis mit konsequent antiimperialistischen Kräften durchgesetzt werden, die keinerlei Interesse an der Stabilität der imperialistischen Ordnung des Nahen und Mittleren Ostens haben. Für die arabisch-irakischen Kräfte des Widerstands bietet nur die Anerkennung des Rechts der Kurden auf einen eigenen Staat und die friedliche Einigung auf einen gerechten und gemeinsam geregelten Zugriff auf die natürlichen Ressourcen innerhalb des irakischen Staates die Aussicht, das reaktionäre Bündnis zwischen der bürgerlich-kurdischen Nationalbewegung und Imperialismus aufzubrechen. Das wäre der Weg, um die pro-imperialistischen Kräfte im Irak entscheidend zu schwächen und die Kurden ins antiimperialistische Lager hinüberzuziehen.
Es steht zu befürchten, daß die Arbeiterkommunisten angesichts ihrer enormen politischen Defizite den bisherigen Desastern sozialistisch-kommunistischer Politik im Irak nur ein neues Kapitel hinzufügen. Die kürzlich erfolgte Spaltung der Arbeiterkommunisten ist bereits das Ergebnis dieser Defizite - wobei weder Reformillusionen noch ultralinker Revolutionarismus einen Ausweg aus der Krise bieten. Der Weg zur proletarischen Revolution gestattet weder eine Vernachlässigung des demokratischen Kampfes, noch führt er ohne soziale Revolution und Konflikt mit der Bourgeoisie auf reformistischem Wege zum Ziel.
Berlin, 05.02.05
[1] | Die Arbeiterkommunisten haben sich gespalten. Im folgenden werden in erster Linie die Auffassungen der Linken Arbeiterkommunisten des Irak und der Arbeiterkommunisten des Iran diskutiert. |
[2] | Die Vertreter der Staatskapitalismustheorie haben weder die Marxsche Kapitalismusanalyse verstanden, noch die sowjetische Übergangsgesellschaft. Dies hier auszuführen, würde jedoch den Rahmen dieses Artikels sprengen. |
[3] | vgl. Hamid Taghvaie, www.wpiran/germany/publikation/Kampf_gegen_Terror.pdf |
[4] | Das trifft auf alle Arbeiterkommunisten zu und wurde so bereits von ihrem ideologischen Grunder Mansoor Hekmat vertreten, vgl. www.wpiran.org/germany/program/programm.pdf |
[5] | Ich halte diesen Begriff deshalb für angebracht, weil sich gegenwärtig auch bürgerliche Kräfte im offenen, sogar bewaffnet geführten Konflikt mit dem Imperialismus befinden und insoweit Kampfbündnisse im Rahmen einer antiimperialistischen Einheitsfront denkbar sind. |
[6] | Alle Zitate hier in: Hamid Taghvaie, Worker-communism in Iraq. The dark scenario and the question of political power, www.socilaismnow.org/html/hamid160204.htm |
[7] | ebenda |
[8] | vgl. Issam Shukri: About Boycotting the Election; www.socialismnow.org/issam031204.htm und: The Dark Scenario and the Strategy of the Left Worker-communist Party - LWPI for the Emancipation of the People of Iraq, www. socialismnow.org/html/strategy030205.htm |